Kommunikation ist so vielschichtig wie das Leben selbst. Sie besteht nicht nur aus Worten und Gesten, sondern beinhaltet unsere Gedanken und Gefühle, unsere Bedürfnisse und Erfahrungen, unsere Werte und Ziele – und unsere Energie, unsere Stimmung, unsere “Vibes”. Ein anschauliches Modell aus der Yoga-Philosophie macht das deutlich.
Wir kommunizieren auf 5 Ebenen
In den alten Yogaschriften heißt es, dass unser Sein und somit auch unsere Kommunikation – ähnlich einer Zwiebel – aus fünf verschiedenen Ebenen besteht: den Pancha Kosha (das ist Sanskrit und bedeutet “5 Hüllen”).
Diese 5 Ebenenen sind:
- Ebene: unser Körper mit Haut und Knochen, Muskeln und Organen (annamaya-kosha),
- Ebene: unsere Emotionen, Gefühle und unsere Lebensenergie (prāṇamaya-kosha),
- Ebene: unserer Verstand mit Gedanken, Ideen, Vorstellungen und Erinnerungen (manomaya-kosha),
- Ebene: unsere Intuition und innere Weisheit (vijnānamaya-kosha),
- Ebene: unsere Energie und die Verbundenheit und Liebe zu uns selbst und der Welt (ānandamaya-kosha).

Das Kosha-Modell ist der Versuch zu beschreiben, dass wir ganzheitliche und vielschichtige Wesen sind. Und dass Yoga mehr als Sport oder Fitness ist – sondern Körper, Geist und Seele anspricht. Dasselbe gilt für unsere Kommunikation und unser Miteinander.
1. Die körperliche Ebene der Kommunikation
Die erste Ebene, annamaya-kosha, steht für unseren physischen Körper. Im Yoga bewegen wir unseren Köper mit den Yoga-Übungen (Asanas). Auch in der Kommunikation spielt unser Körper eine wichtige Rolle: Durch ihn machen sich unsere Gefühle bemerkbar (z.B. als ängstliches Herzklopfen, wütendes Bauchgrummeln oder freudiges Aufatmen); durch ihn drücken wir uns aus. Ob mittels Worten, Mimik oder Gestik, beim Tanzen oder Singen, beim Schreiben oder Malen – der Körper ist unmittelbar an diesen Ausdrucksformen beteiligt.
Um uns der körperlichen Ebene der Kommunikation zu nähern, können wir unsere Aufmerksamkeit behutsam auf unsere körperlichen Empfindungen lenken und achtsam hinspüren, was wir wahrnehmen.
Ist da vielleicht kribbeln, pulsieren oder piksen, vielleicht hämmern oder fließen? Vielleicht gibt es eine ausdehnende, verspannte, entspannte oder kraftlose Wahrnehmung; vielleicht ist es an einer Stelle eng, leicht, schwer, energiegeladen, warm, kalt, taub oder gefühllos?

Es geht hier nicht darum, deine Empfindungen mit Worten möglichst treffend zu beschreiben, sondern einfach, sie zu spüren und wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten (wie in Schritt 1 der gewaltfreien Kommunikation: der Beobachtung). Je öfter du das übst, desto mehr und präziser wirst du wahrnehmen. Lass dich überraschen, wie weise und vielseitig dein Körper mit dir kommuniziert!
Die körperliche Ebene der Kommunikation können wir klären und stärken, indem wir unserem Körper und seinen Bedürfnissen achtsam lauschen und gut für ihn sorgen – zum Beispiel mittels gesunder Ernährung, ausreichend Wasser, Bewegung (zum Beispiel mit Yoga) sowie ausreichend Schlaf und Erholungsphasen.
2. Die emotionale Ebene der Kommunikation
Die zweite Ebene, prāṇamaya-kosha (prāṇa = Lebensenergie), umfasst unsere Lebensenergie, zu der auch unsere Gefühle und Emotionen (Schritt 2 der Gewaltfreien Kommunikation) gehören. Je nachdem, wie unsere Lebensenergie fließt, fühlen wir uns energiegeladen oder abgespannt, müde oder erfrischt, ausgelaugt oder lebendig.

Um uns der Energieebene unserer Kommunikation zu nähern, können wir die Aufmerksamkeit auf unsere Gefühlswelt lenken.
Fühlst du dich begeistert, wohl, sicher, ausgeglichen – oder eher ängstlich, hektisch, traurig, besorgt? (Eine ausführliche Übersicht über die Gefühle findest du im Starter-Kompass “Klar & achtsam kommunizieren”.)
Welche Gefühle sind da – und wie manifestieren sie sich wiederum auf körperlicher Ebene, z.B. als Enge im Brustkorb, Schmetterlinge im Bauch, Kloß im Hals (siehe Ebene 1)?
Alle Atemübungen im Yoga (prāṇāyāma) können wir nutzen, um Einfluss auf diese Ebene zu nehmen, unsere Gefühle zu beeinflussen und unsere Energie gezielt zu lenken. Hier ist es wichtig, alle aufkommenden Gefühle – auch die unangenehmen – zu fühlen und mit dem Atem fließen zu lassen, anstatt sie zu unterdrücken. Denn wenn wir unseren Gefühlen keinen Raum geben und sie nicht zulassen, unterdrücken und bremsen wir zugleich auch unsere natürliche Lebensenergie.
Auch durch das regelmäßige Durchbewegen unserer Gelenke, frische Luft und Bewegung in Verbindung mit der Atmung klären und stärken wir diese Ebene.
3. Die mentale Ebene der Kommunikation
Die dritte Ebene, manomaya-kosha (manas = Geist), spiegelt unseren Verstand, unsere Gedanken, Ideen, Vorstellungen und Erinnerungen wider. Dies ist auch die Ebene unserer Worte.
Der Atem steuert das Wechselspiel zwischen der mentalen Ebene und dem Körper. Das können wir u.a. spüren, wenn Stress und innere Anspannung unseren Atem und unser Wohlbefinden beeinträchtigen – und andersherum, wenn der Atem ein Gefühl der Ruhe und des inneren Friedens in uns erzeugt.
Um mit dieser Ebene in Kontakt zu kommen, können wir die Aufmerksamkeit auf den Geist und die Gedankenwelt richten: Ziehen meine Gedanken ruhig und still dahin? Fühle ich mich klar und offen oder träge und nebelig? Springen meine Gedanken unruhig hin und her, wiederholen sie sich ständig, sind sie logisch oder unlogisch?
Und auch: Wie spreche ich mit mir selbst und anderen Menschen? Welche Worte benutze ich und spreche ich eine Sprache, die mir guttut?
Hier können wir üben, die Beobachterperspektive einnehmen und die sich immer wieder neu manifestierenden Gedanken anschauen und vorüberziehen lassen, ohne sie zu bewerten.
Über die mentale Ebene nehmen wir alle äußeren Eindrücke und Reize über unsere Sinne auf, die zunächst ungefiltert auf unser System wirken. Klären und stärken können wir diese Ebene deshalb, indem wir bewusst festlegen, welchen Eindrücken wir uns täglich aussetzen:
Mit welchen Menschen umgebe ich mich? (Wie oft) schaue ich Nachrichten? Welche Filme schaue ich, welche nicht? Lesen, Tanz, Musik, positiver menschlicher Kontakt, Therapie und Coaching, Sport, Entspannungstechniken und der Aufenthalt in der Natur können uns auf dieser Ebene guttun.

4. Die intuitive Ebene der Kommunikation
Gehen wir noch tiefer, gelangen wir zur Ebene der Weisheit, vijnānamaya-kosha (vijnāna = Intuition, Weisheit). Sie bezieht sich auf unsere intuitive Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit und ein höheres Bewusstsein. Hier geht es um den Zugang zu unserer inneren Weisheit und die tiefe Einsicht in die Verbindung von allem, was ist – ganz ohne rationale Begründung. Diese Ebene könnte man auch als seelische Ebene oder Symbolebene bezeichnen.

Hier findet die Kommunikation intuitiv und auf symbolischer Ebene statt; dazu zählen auch Träume und innere Bilder. Diese Ebene erscheint zunächst schwer greifbar; die Frage nach inneren Bildern oder Klängen, Farben und Symbolen kann jedoch dabei helfen, sich ihr (meditativ) zu nähern.
Vielleicht hast du im Kontakt mit einem bestimmten Menschen immer wieder das gleiche Bild vor Augen, nimmst ein Symbol wahr oder hast ein ganz bestimmtes Wort im Ohr? Sind die wahrgenommenen Eindrücke klar oder vage, konkret oder abstrakt, fließend oder aufblitzend?
Auch unsere Träume sind auf dieser Ebene angesiedelt. Welche Symbole, Menschen, Szenen tauchen immer wieder auf – und was bedeuten sie für dich?
Auch die Asanas im Yogaunterricht – oder ganz allgemein unsere Bewegungen – können wir auf dieser Ebene betrachten, indem wir ihre ganz eigene Wesensqualität wahrnehmen: Richte ich mich in dieser Haltung auf oder wende ich mich nach innen? Vermittelt mir die Haltung Stabilität – oder muss ich die Balance halten? Hilft mir die Haltung dabei, meine Kraft zu spüren – oder in die Ruhe zu finden?
5. Die göttliche, verbundene Ebene der Kommunikation
Die fünfte Ebene schließlich ist die der Glückseligkeit, ānandamaya-kosha (ānanda = Glückseligkeit). Sie zeigt sich im Gefühl, “wunschlos glücklich” zu sein – im Einklang mit uns selbst, unseren Mitmenschen und der Natur. Man könnte diese Ebene auch als göttliche Ebene oder die Ebene der Liebe bezeichnen. Es ist die Verbindung mit etwas, das größer ist als wir selbst.
Diese Ebene wird belebt, wenn wir ganz bei uns, ganz im Reinen mit uns und der Welt sind – eben glückselig. Spürbar wird dies in Momenten der inneren Ruhe, des Friedens und der Gelassenheit – zum Beispiel, wenn wir Zeuge eines besonderen Naturspektakels werden.
Diese Ebene unseres Wesens und unserer Kommunikation ist demzufolge auch die für die meisten Menschen am wenigsten greifbare, obwohl sie immer da und spürbar ist: Es ist die Ebene der Energie, die sich zeigt in den „Vibes“, die ein Mensch ausstrahlt.
Einen Zugang zu dieser Ebene bekommen wir mittels Meditation, regelmäßigem Eintauchen in die Stille und dem achtsamen Atmen.
Hier können wir uns fragen: Fühle ich mich gerade ganz klar – oder eher “nebelig”? Bin ich zugewandt (‘ja’) oder ablehnend (‘nein’)? Dehnt sich meine Energie aus oder ziehe ich mich eher in mich zurück? Wie immer geht es darum, einfach wahrzunehmen, ohne es zu bewerten.

Lebendiger Ausdruck mit Körper, Geist und Seele
Puh, das war eine ganze Menge, was? Gönn dir hier erst einmal eine kleine Atempause!
Atme einmal tief ein und aus.
Ein und aus.
Ein – und wieder aus.
Das Schöne ist: Unser Atem wirkt und begleitet uns auf allen 5 Ebenen – stell dir darum gerne vor, wie dein Atem durch alle 5 Ebenen strömt, sie klärt, reinigt und stärkt.
Ich finde den Ansatz wunderbar, unser ganzes Sein, um alle unsere Aspekte und Teile in unsere Kommunikation (oder unsere Yogapraxis) einzubeziehen, anstatt nur einen kleinen Teil.
Statt den Fokus wie so oft, wenn es um Kommunikation geht, nur auf die gesprochenen Worte zu richten, gibt es einfach so viel mehr zu entdecken: unsere Körpersprache (Ebene 1), unsere Gefühle und Emotionen (Ebene 2), Gedanken und Worte (Ebene 3), unsere Intuition (Ebene 4) und die Energie und Verbundenheit mit der Liebe (Ebene 5).
Das Pancha-Kosha-Modell macht unsere Kommunikation damit vielfältiger, reicher und lebendiger. Nur dann wird es eine “runde” Sache. Deshalb beziehe ich diese ganzheitliche Sicht in alle meine Angebote – ob Yogakurs oder Coaching – mit ein.
Welche Ebene nimmst du am meisten in deinem Leben wahr? Auf welche Ebene möchtest du künftig mehr deinen Fokus legen? ∞