Worte und Klänge können heilsam wirken. Mit dem Mantra nutzt die Yoga-Tradition die Magie von Wort und Klang – und unterstützt uns so auf dem Weg zu innerer Ruhe, neuer Kraft und Zuversicht.
Ein Mantra ist ein Wort, ein Satz oder eine Silbe – und wird laut, geflüstert, gesungen oder in Gedanken wiederholt. Das Wort Mantra setzt sich zusammen aus den Silben man (= Geist) und tra (= befreien, beschützen). Es handelt sich also um Worte, die unseren Geist befreien – und zwar von seinen ständigen inneren Dialogen und Gedankenschleifen.
Da ein Mantra meist oft wiederholt wird, entsteht eine Art “Klangteppich”, von dem wir uns einfach meditativ tragen lassen können. (So ähnlich wie wenn wir einen Song zum 100. Mal in Dauerschleife hören – wir haben ihn dann so weit verinnerlicht, dass wir einfach ohne nachzudenken mitsingen können.)
Mantras helfen uns beim Stress abbauen
Mantras können eine heilsame Wirkung auf uns haben. So hat die moderne medizinische Forschung hat herausgefunden, dass Mantra-Klänge unser Nervensystem stark beeinflussen und bei verschiedenen Beschwerden helfen:
Mantra: Grübeln stoppen und inneren Frieden finden
Die laut oder innerlich rezitierten Worte, Silben oder Klänge wirken auf zwei Ebenen: Sie haben eine bestimmte Bedeutung – und sie erzeugen eine bestimmte Schwingung.
Ganz ähnlich wie ein Song, den wir rauf und runter hören: Zum einen können die Songtexte uns innerlich berühren, stärken und aufbauen (Bedeutung), zum anderen kann auch die Musik an sich uns in einen bestimmten Zustand versetzen (Schwingung).
Lass uns das einmal näher anschauen.
Mantra: Heilsame Impulse für unser Unterbewusstsein
Jedes Mantra hat eine Bedeutung – und kann uns so mit bestimmten Gefühlen, Zuständen oder Qualitäten in uns in Kontakt bringen. Für jeden von uns kann das etwas anderes sein. Genau wie ein bestimmter Songtext kann ein Mantra uns beruhigen oder stärken, ein Gefühl von Verbundenheit oder innerer Weite erzeugen.
Wenn wir ein Mantra regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholen, verinnerlichen wir seine Bedeutung schließlich so weit, dass es quasi von selbst wie ein Ohrwurm in uns „nachschwingt“ und sich als neuer, hilfreicher Impuls im Unterbewusstsein verankert.
In der modernen Wissenschaft heißt das neuronale Plastizität: „Pfade“ im Gehirn, die wir wieder und wieder nutzen, werden breiter – und Informationen werden über die so entstehenden „Datenautobahnen“ schneller übermittelt. (Genaueres dazu erfährst du in diesem Blogartikel über die Kraft der achtsamen Sprache).
Mantra: Eingrooven auf eine bestimmte Schwingung
Dass Klänge Schwingungen erzeugen, hast du vielleicht schonmal wahrgenommen: wenn du ein Lied gesummt und zugleich gespürt hast, dass der Ton in deiner Kehle vibriert. Oder auf einem Konzert, wenn der Bass-Sound nicht nur hör- sondern auch spürbar ist.
So haben auch alle Worte, Laute und Silben ihre eigene Schwingung – und damit auch jedes Mantra. Anders ausgedrückt: Jedes Mantra wirkt auf energetischer Ebene in unserem Inneren und kann eine bestimmte Wesensqualität in uns „anklingen lassen“ – zum Beispiel Liebe, Vertrauen, Weisheit oder Mut.
Vielleicht hast du das schonmal beim Musikhören erlebt: Plötzlich kommen dir die Tränen bei einem Lied, weil es etwas tief in deinem Inneren berührt. Oder du hörst einen Song und hast plötzlich Lust dazu zu tanzen, obwohl du eben noch entspannt auf dem Sofa lagst – er bringt dich sozusagen in Schwung.
Beispiele für Mantras im Yoga
Om – das wohl berühmteste Mantra
Das wohl bekannteste und wichtigste Mantra ist OM (ॐ). Es wird bereits seit Jahrtausenden von Anhängern des Buddhismus und des Hinduismus als Symbol für das Göttliche verwendet und ist auch als Klang der Schöpfung oder Urmantra bekannt, aus dessen Schwingung die gesamte Schöpfung hervorging.
In vielen Yogaklassen wird das Om am Anfang und Ende der Yogastunde getönt – ein Ritual, um sich zu zentrieren, innere Ruhe und Harmonie herzustellen und sich als Gruppe zu erleben und „einzuschwingen“.
Auch die Stille die auf das Mantra folgt, ist wichtig und gehört dazu – sie hat ebenfalls eine bestimmte Wirkung auf uns.
Namaha: Ein Mantra zum Loslassen
Das Mantra namaḥ (auch Namaha) kann übersetzt werden mit „nicht meins“ (na = Verneinung, ma = meins). Es kann genutzt werden, um ein immer tieferes Gefühl des Loslassens zu kultivieren – zum Beispiel von Gedanken oder Gefühlen, die uns nicht guttun, vergangenen Erlebnissen, die uns noch immer beschäftigen, toxischen Beziehungen zu bestimmten Menschen, usw.*
Das Mantra kann auch mit OM zu „om namaḥ“ kombiniert werden.
*Meine persönliche Sicht auf dieses Mantra: Bevor wir die unangenehmen Situationen, Gefühle etc. mit der Botschaft „nicht meins“ loslassen, sollten wir sie bewusst wahr- und liebevoll annehmen – sonst kann Namaha uns leicht in den „Verdrängungsmodus“ bringen („Ich lasse es los, weil ich mich nicht damit beschäftigen will.“) Vielmehr geht es darum, erst hinzuschauen, auch die unangenehmen Gefühle zu fühlen – und die damit verbundenen Erlebnisse dann wahrhaftig zu verabschieden und loszulassen. Auch das können wir mit dem Atem verbinden: einatmen – zulassen, ausatmen – loslassen.
Sa Ta Na Ma: Das Mantra der Veränderung
Die Silben Sa Ta Na Ma bedeuten: Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt.
Dieses Mantra symbolisiert Veränderung und Transformation und erinnert uns daran, dass das Leben ein ewiger Kreislauf von Werden und Vergehen ist. Das können wir in der Natur beobachten – zum Beispiel am Wechsel der Jahreszeiten, der Mondphasen oder auch am weiblichen Zyklus.
Für mich bedeutet das Mantra: Das Leben befindet sich wie die Jahreszeiten im ständigen natürlichen Wandel. Und wir haben die Wahl, ob wir uns dagegen sträuben – oder mit auf der Veränderungswelle surfen und uns von ihr tragen lassen. Auch schwierige Phasen im Leben werden irgendwann vorüber sein – und wir wie ein Phönix aus der Asche gestärkt und um Erfahrungen reicher daraus hervorgehen.
Die Silben des Mantras werden während der Meditation mit Mudras, also Gesten bzw. Fingerhaltungen, kombiniert:
- Daumen und Zeigefinger berühren sich: SA
- Daumen und Mittelfinger berühren sich: TA
- Daumen und Ringfinger berühren sich: NA
- Daumen und kleiner Finger berühren sich: MA
Ich nutze das Mantra gerne beim Spazieren in der Natur – und passe dabei die Fingerbewegungen meiner Schrittgeschwindigkeit an.
Und nun: Finde dein persönliches Mantra
Neben den alten yogischen Mantras können wir auch ganz persönliche Mantras für uns nutzen, die uns auf unserem Weg begleiten.
Es geht also nicht darum, etwas zu beschönigen und rosa Zuckerguss zu verteilen (und dir zum Beispiel „Ich bin reich und wohlhabend“ zu erzählen, obwohl es finanziell gerade nicht so rosig bei dir aussieht). Das Mantra soll dich da abholen, wo du gerade stehst.
Finde dein Mantra: Traue deinen spontanen Impulsen
Um dein persönliches Mantra zu finden, suche dir einen Ort, an dem du ungestört bist. Spüre den Boden unter deinen Füßen und verbinde dich mit deinem Atem – und folgenden Fragen:
- Welcher Lebensbereich beschäftigt dich zurzeit besonders? (z.B. Gesundheit, Partnerschaft, Beruf, …)
- Was wünschst du dir für diesen Lebensbereich für dich?
- Was würdest du einem guten Freund mit diesem Wunsch raten oder sagen?
Nimm das, was kommt und mit dir in Resonanz geht – ohne es zu zerdenken. Meist sind unsere spontanen Impulse und inneren Antworten die besten und passendsten.
Vielleicht kommen dir aber auch immer wieder ganz intuitiv bestimmte Worte, Sätze oder auch Melodien in den Sinn, die für dich Liebe, Frieden, Ruhe, Freude, Kraft o.Ä. ausstrahlen und diese Qualitäten in dir wecken, ohne dass du erklären könntest, warum.
Vielleicht ist es auch ein Fantasiewort aus deiner Kindheit, das dir ein Gefühl von Geborgenheit schenkt. Oder ein Songtext-Auszug, der für dich zum Kraftsatz geworden ist und dich stärkt oder berührt.
Eines meiner persönlichen Dauerbrenner-Mantras ist übrigens ganz schlicht: „Atempause“. Jap, so kurz und einfach kann es sein! 😉 Und es wirkt Wunder in Streit- und Stresssituationen.
Finde dein Mantra: Beginne zu experimentieren
Du hast dein Mantra gefunden? Dann kannst du es mehrmals täglich für dich als inneren Glücksbringer nutzen – es laut oder innerlich sprechen, dir eine Erinnerung ins Handy speichern, es an den Badezimmerspiegel kleben. Du kannst auch damit experimentieren: es schreiben, singen oder auch malen – und staunen, wie es mit der Zeit zu einer wertvollen Ressource für dich wird und dein Leben verwandelt.
Ich wünsche dir viel Freude beim Finden und Erkunden deines Mantras!
Dieser Blogbeitrag ist Teil der 5-teiligen Serie “Yoga-Schatzkiste für den Alltag”. Hier findest du die anderen Beiträge:
▸ Chakra – entdecke die Landkarte deiner Lebenskraft (mit Test)
▸ Koshas – die 5 Ebenen der ganzheitlichen Kommunikation
▸ Mudra – Haltungen für innere Stärke, Ruhe und Balance
▸ Sthira & Sukha: Wie du dein Leben in Balance bringen kannst