Drama-Dreieck – wie wir Konflikte besser verstehen und lösen können

Oft geraten wir in unseren Beziehungen – ob Familie, Partner-, Freund- oder Bekanntschaften – immer wieder in ähnliche Streit-Muster. Das Dramadreieck bringt Licht ins Dunkel: Warum ist das so – und wie finden wir zurück in die innere Balance?

Wir alle kennen die typische Erzählung aus Filmen, Märchen und Geschichten: Da gibt es einen Bösewicht, sein Opfer – und den Helden, der den Bösewicht in die Flucht schlägt, das Opfer rettet und somit das Happy End herbeiführt. Die Erzählung “Gut gegen Böse” wurde so oft wiederholt und variiert, dass sie Teil unseres Alltags jenseits von Hollywood geworden ist.

Denn auch im “echten Leben” begegnen uns Täter, Opfer und Retter. Und nicht nur das:

Wir alle sind Täter, Opfer und Retter.

Was ist das Drama-Dreieck?

Wir alle sind eingebunden in Beziehungen – zum Beispiel in Familien- und Freundeskreise, Bekanntschaften an der Arbeit, in Vereinen und so weiter. Und ganz ähnlich wie im Film nehmen wir in unseren Beziehungen bestimmte Rollen ein.

Manchmal wählen wir diese Rollen bewusst. Manchmal bekommen wir sie von unseren Eltern, Lehrern, der Gesellschaft zugewiesen. Und manchmal etablieren sich solche Rollen ganz allmählich und unbewusst. Letztlich lassen sie sich alle auf das Schema von Täter, Opfer und Retter herunterbrechen – das auch Drama-Dreieck genannt wird.

Was die verschiedenen Rollen auszeichnet? Jede hat sowohl positive als auch negative Eigenschaften.

Der Täter ist stark und durchsetzungsfähig; gleichzeitig weiß er alles besser, kritisiert, schimpft, droht, schüchtert ein, drangsaliert, demütigt, mischt sich ein.

Das Opfer erscheint stets als guter, unschuldiger Mensch, der niemandem etwas Böses will. Es wirkt zudem hilflos, ohnmächtig und passiv, weil es scheinbar nicht in der Lage sind, sich selbst aus seiner Lage zu befreien. Tatsächlich ist das Opfer jedoch nicht unbedingt wirklich passiv: es manipuliert mithilfe des schlechten Gewissens, übt Druck aus und drängt andere auf subtile Weise in die Täterrolle, um das eigene Opferdasein zu rechtfertigen.

Der Retter schließlich springt dem Opfer zur Seite, versucht es zu schützen und gebietet dem Täter Einhalt. Er suggeriert dem Opfer damit allerdings auch, dass es sich nicht selbst aus seiner Lage befreien kann und entmündigt es damit.

Wechselnde Rollen im Drama Dreieck

Das Leben ist nicht schwarz-weiß – es besteht aus vielen verschiedenen Graustufen. Deshalb lassen sich Menschen nicht einfach einer der drei Kategorien zuordnen. Niemand ist immer Täter, immer Opfer oder immer Retter.

Die Rollen im Drama-Dreieck sind nicht starr. Das bedeutet: Ein Mensch kann in verschiedenen Situationen verschiedene Rollen innehaben. Wer an seinem Arbeitsplatz Opfer ist, also zum Beispiel stets die unliebsamen Aufgaben erledigen muss, kann zugleich im Privatleben Täter sein – beispielsweise seine Familie drangsalieren – und außerdem als Retter in Erscheinung treten, indem er oder sie einer Freundin regelmäßig Geld leiht.

Zudem kann unsere Position im Drama-Dreieck auch innerhalb einer Situation wechseln: Zum Beispiel sehen wir uns selbst als Retter, wenn wir Zeuge eines Streits werden und helfend eingreifen wollen. Von den Streitenden werden wir jedoch als Täter wahrgenommen – weil wir uns einmischen und damit die Streithähne (oder -hennen) in die Opfer- und die Täterrolle drängen. Schließlich sprechen wir ihnen mit unserem beherzten Eingreifen die Fähigkeit ab sich zu verteidigen oder zu beherrschen – und stilisieren uns selbst zum Helden bzw. zur Heldin.

Du siehst: Es kommt vor allem auf die Wahrnehmung der Beteiligten an. Und die ist wiederum von deren Erfahrungen und Überzeugungen geprägt.

Jede Rolle im Dreieck ist an Erwartungen geknüpft, die wir unbewusst erfüllen, solange wir uns dessen nicht bewusst sind.

Deshalb ist es durchaus hilfreich, die Positionen des Drama-Dreiecks zu kennen und vor allem zu erkennen. Meist gibt es da klare Vorlieben: Kaum jemand will gern Täter sein, diese Karte wird gerne anderen zugeschoben. In die Rolle des Opfers begeben sich schon mehr Menschen freiwillig; und die Position des Retters klingt nach Selbstlosigkeit und Aufopferung für andere und wird vermutlich von den meisten bevorzugt.

Die Rollen im Drama-Dreieck: unbewusst oder bewusst?

Die „Rollenverteilung“ geschieht oft unbewusst. Wir lassen uns in eine der Ecken im Dreieck drängen und kommen dort nicht mehr heraus. Wir spielen (unbewusst) unsere Rolle. Und wir wollen (ebenfalls unbewusst) Anerkennung in unserer aktuellen Position bekommen, in ihr verharren, sie rechtfertigen. Sätze wie „Es war nötig, dass ihr mal jemand die Meinung sagt“ (Täter), „Er hat angefangen“ (Opfer) oder „Wäre ich nicht eingeschritten, wäre der Streit noch völlig eskaliert“ (Retter) unterstreichen das.

Und manchmal werden die Rollen auch zur bewussten Manipulation genutzt – zum Beispiel in der Politik, um sich als Heilsbringer zu inszenieren oder um sich in die Opferrolle zu begeben und die Kontrahenten als Täter zu brandmarken. Donald Trump hat zum Beispiel das Kunststück geschafft, sich als Retter seines Landes und seiner Landsleute (Opfer) zu inszenieren, der sich mutig dem mächtigen und reichen „Establishment“ (Täter) entgegenstellt, zu dem er in Wahrheit selbst gehört.

Das Drama-Dreieck ausbalancieren – aber wie?

Keine der Positionen im Drama-Dreieck ist wirklich erstrebenswert – jede ist geprägt von einem Ungleichgewicht, von Abhängigkeit und Instabilität.

In jeder Rolle benötigen wir die anderen, um unsere „Daseinsberechtigung“ zu behalten: Wo kein Opfer ist, wird auch kein Retter gebraucht. Und wo kein Täter ist, kann sich auch niemand in die Opferrolle zurückziehen. Wie gut, dass es noch eine vierte Position gibt: die Mitte.

In der Mitte ist das Dreieck ausbalanciert. Die Mitte im (gleichseitigen) Dreieck ist von jeder Ecke gleich weit entfernt; sie steht für Stabilität, Eigenverantwortung und Balance. Bevor wir dort hingelangen können, müssen wir jedoch zunächst einmal erkennen, dass wir gerade als Täter, Opfer oder Retter handeln.

Im Gespräch mit anderen: Das Drama-Dreieck enttarnen (Beispiel)

Beim Erkennen der Opfer-Täter-Retter-Dynamik kann eine Fragetechnik helfen: das sogenannte zyklische Fragen. Dabei werden alle in den Konflikt involvierten Mitmenschen in die Fragen eingebunden. Schließlich handeln wir Menschen nicht im luftleeren Raum, sondern sind eingebunden in ein Beziehungsgeflecht.

Zur Veranschaulichung ein (sehr vereinfachtes) Beispiel: Marie hat ein Problem mit ihrer Arbeitskollegin Sandra. Eigentlich verstehen sich die beiden gut, unternehmen auch ab und an etwas gemeinsam – doch kürzlich wurde Sandra befördert. Nun ist die Stimmung im Büro eisig; Marie, die insgeheim damit gerechnet hat, dass sie die neue Position bekommen würde, redet nur noch das Nötigste mit Sandra.

Würden wir nun einfach fragen, warum Marie so sauer ist, würde das wahrscheinlich eine Verteidigungshaltung bei ihr provozieren. Sie würde die Dinge aus ihrer subjektiven Sicht schildern. Zum Beispiel so: „Ich bin viel besser qualifiziert als Sandra – das geht nicht mit rechten Dingen zu, mit so einer falschen Person möchte ich nichts zu tun haben.“ Marie bleibt in ihrer Opferrolle – Sandra ist schuld.

Raus aus dem Drama: Die Beobachterposition einnehmen (Beispiel)

Ganz anders wirkt die Frage: „Marie, was meinst du, was deine Wut/dein plötzliches Schweigen für Sandra bedeutet?“ Oder: „Was, meinst du, denken deine anderen Kollegen darüber, dass du nicht mehr mit Sandra redest?“

Diese zyklischen Fragen verhelfen Marie in die Beobachterposition. Marie könnte dadurch erkennen, dass ihr eisiges Schweigen „Täterqualität“ hat; dass sie im Grunde ungerechtfertigt ihren Frust an ihrer Kollegin auslässt, und dass ihre anderen Kollegen dies auch so wahrnehmen könnten.

Marie kann sich mithilfe dieser Fragen besser in Sandra hineinversetzen, die festgefahrenen Rollen werden aufgebrochen. Die Fragen machen ihr bewusst, dass ihre Wut im Grunde nichts mit Sandra zu tun hat. Und dass sie Sandra dennoch mit ihrem Verhalten verletzt. Sie erkennt, dass ihr Verhalten einerseits eine Ursache hat – überhöhte Erwartungen, Enttäuschung über sich selbst – und andererseits weitere Gedanken, Worte und Taten verursacht: Gerede im Kollegium, Frust von Sandra.

Zur inneren Mitte zurückfinden

Sich darüber bewusst zu werden, welche Rolle im Drama-Dreieck man gerade einnimmt und vor allem warum, ist der halbe Weg hin zur Mitte. (Ich habe beispielsweise festgestellt, dass ich unbewusst oft die Rolle der Retterin einnehme. Diese Erkenntnis ermöglicht es mir, mich auch mal bewusst dagegen zu entscheiden und andere ihre Kämpfe austragen zu lassen, ohne dass ich helfend eingreife.)

Manchmal aber ist eine Situation so stressig und aufgeladen, dass es schnell passieren kann, dass man das Gelernte zeitweilig ausblendet und im wahrsten Wortsinn “außer sich” ist. Dann ist es wichtig zu wissen, wie man sich schnell wieder ausbalancieren kann.

Das Stichwort lautet Zentrierung. Unser Körper – und vor allem: unser Atem – hilft dabei, uns wieder im Hier und Jetzt zu verorten. Sich regelmäßige Pausen und Rückzug zu gönnen, auf den Atem zu konzentrieren, dabei bis zehn zu zählen oder auch den eigenen Körper von Kopf bis zu den Füßen und wieder zurück „abzuscannen“, ermöglicht uns, „bei uns“ zu bleiben und sich nicht erneut in eine Drama-Ecke zu begeben.

Damit ist auch den anderen Beteiligten geholfen:

Wenn ein „Darsteller“ seine Rolle im Drama-Dreieck verweigert und stattdessen zentriert bleibt, können auch die anderen ihre Rolle leichter verlassen – oder sie gar nicht erst einnehmen.

Yoga, Atemarbeit und andere Zentrierungs-Übungen helfen somit nachhaltig dabei, eine erneute „blinde“ Rolleneinnahme im Drama-Dreieck zu vermeiden und mehr in unserer inneren Mitte zu ruhen.

Welche Rolle im Drama-Dreieck nimmst du oft (unbewusst) in Konflikten ein?
Hast du auch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass so eine “Atempause” in verzwickten Situationen Wunder wirken kann?

Alles Liebe,

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