Zentangle: Mit Stift und Papier ins Hier und Jetzt

Entspannung und Selbsterkenntnis, Kunst und Minimalismus: All das vereint Zentangle. Erfahre hier, was es damit auf sich hat – und wie es funktioniert.

Zentangle – ein Wort wie aus einem wirren Traum. Dahinter verbergen sich Schwarzweiß-Zeichnungen im Miniaturformat, meist bierdeckelgroß, mit vielfältigen Linien und Mustern. Sie sind einfach und abstrakt. Sie ähneln sich auf den ersten Blick – doch bei näherem Hinsehen ist jede von ihnen ein Unikat.

Zentangle ist eine Zeichenmethode, erfunden in den USA, die Meditation und Kunst kombiniert. Zen steht für das meditative Element und bedeutet Entspannung; Tangle kommt aus dem Englischen und steht für das „Gewirr“, das sich beim Zeichnen ergibt.

Das klingt erst mal kompliziert – dabei ist die Methode so leicht, dass sie jede:r anwenden kann. „Meine Töchter haben mit vier angefangen“, sagt Anna-Maria Meinhardt. Sie ist Entspannungscoach und Certified Zentangle Teacher und gibt die Methode in Workshops weiter – an Schulen oder auch im Rahmen von Teambuilding-Maßnahmen.

Zentangle: Den inneren Kritiker ruhigstellen

„Im Vordergrund steht nicht das Ergebnis – auch wenn das Ergebnis immer wunderschön ist“, sagt Anna-Maria Meinhardt. Es gibt lediglich vier Grundelemente: Striche in Form der Buchstaben I, C, S und O. Auch das Material ist minimalistisch: kleine Papierkärtchen, Fineliner, Bleistift und ein Utensil zum Verwischen. Wenige Hilfsmittel, die man überall mit hinnehmen kann – um sie beispielsweise in einer entspannenden Pause zu nutzen.

Das Zentangle-Material ist minimalistisch: kleine Papierkärtchen, Fineliner, Bleistift und ein Utensil zum Verwischen.

Eines der Zentangle-Prinzipien lautet: Es gibt keine Fehler.

„Wir alle haben mit einem inneren Kritiker zu kämpfen“, sagt Anna-Maria Meinhardt – Ziel der Zentangle-Methode sei es, diesen „leiser zu schalten“. Das Papierformat ist so kompakt, dass man das Angefangene auch zu Ende bringt. So fördert die Methode Selbstbestätigung und Selbstwirksamkeit.

„Weil wir abstrakte Muster zeichnen, gibt es keine Vorgaben“ – und somit auch keinen Anhaltspunkt für Vergleiche oder Bewertungen. Mit der Zeit, so die Expertin, reife die Erkenntnis: „Irgendwas Schönes entsteht immer.“ Und vor allem etwas Einzigartiges: Kein Zentangle gleicht dem anderen.

Mehr als Gekritzel: Ein Zentangle zeichnen in 8 Schritten

Doch Zentangeln ist nicht einfach Draufloskritzeln – acht Schritte sorgen für Routine und einen einheitlichen Rahmen, in dem dann Freiraum entsteht.

So erstellst du dein persönliches Zentangle in acht einfachen Schritten:

  1. Wertschätzung. Finde eine bequeme Ausgangsposition, in der du innehalten, entspannen und durchatmen kannst. Betrachte das leere Papier und mache dir bewusst, wie wunderbar es ist, dass du nun etwas Schönes schaffen wirst.
  2. Eckpunkte. Zeichne mit dem Bleistift auf dem Blatt vier Eckpunkte ein, die zu einem Quadrat verbunden werden können. Mit diesem einfachen Start bist du schon mittendrin im Zentangle-Prozess.
  3. Rahmen. Aus den vier Ecken wird mit Bleistift der quadratische Rahmen gezeichnet, der den Arbeitsbereich bildet und dir eine Grenze vorgibt.
  4. Strings. Zeichne nun mit dem Bleistift innerhalb des Rahmens Fäden, auch Strings genannt, ein – und unterteile so kleinere Flächen innerhalb des Rahmens. Das können Linien beliebiger Form sein: Kurven, gerade Linien, Linien, die zum Rahmen zurückkehren oder auch Linien, die das Quadrat durchziehen.
  5. Tangles. Jetzt kommt der Fineliner ins Spiel: Zeichne damit die Tangles, also das Gewirr, hinzu: Muster, die aus einfachen Strichen (in den Formen der Buchstaben I, C, S, O) bestehen. Folge dabei deiner Intuition und denke nicht darüber nach, wie es am Ende aussehen könnte. Du kannst das Bild jederzeit drehen, während du daran malst.
  6. Schattieren. Füge nun, mit Bleistift und Papierwischer, Grautöne hinzu, damit Kontrast und Dimension entsteht.
  7. Signatur. Wenn dein Werk fertig ist, kannst du es mit deiner Unterschrift und deinen Initialen versehen und auf der Rückseite noch das Datum vermerken.
  8. Bewundern und Wertschätzen. Du hast etwas Einzigartiges geschaffen – schenke dem im letzten Schritt noch einmal die gebührende Aufmerksamkeit. Betrachte dein Bild eingehend, drehe es in alle Richtungen – und sei stolz auf das, was du soeben erschaffen hast!

Zentangle in der Gruppe: Gemeinsam etwas erschaffen

In der Gruppenarbeit, sagt Anna-Maria Meinhardt, ist dieser letzte Schritt besonders bedeutsam: Alle entstandenen Werke werden zu einem großen Gebilde zusammengelegt und das Gesamtergebnis bewundert.

So würden sowohl das große Ganze als auch das Potenzial jedes Einzelnen sichtbar, was die gegenseitige Wertschätzung und das Gemeinschaftsgefühl stärken könne: „Wir arbeiten zusammen auf ein Ziel hin – und jeder leistet seinen Beitrag“, fasst Anna-Maria Meinhardt zusammen.

Mit Zentangle zur Selbsterkenntnis

Innere Prozesse anzuregen und sichtbar zu machen, sieht Anna-Maria Meinhardt als wichtigen Teil ihrer Arbeit an. Beim Zentangeln entstünden individuelle Werke – die mehr über uns verraten könnten, als wir denken:

„Jede Zeichnung ist ein Abbild von deinem Tag.“

Genaues Beobachten und Hinterfragen könne Aufschluss über das aktuelle Befinden geben:

► Zeichne ich nur in eine Ecke und lasse den Rest des Papiers fast leer?

► Male ich sehr feine Linien in engem Abstand, sodass das Blatt fast schwarz ist?

► Zeichne ich die Tangles über den zuvor mit Bleistift gezeichneten Rand – oder bleibe ich „im Rahmen“?

► Und ganz allgemein: Was fange ich mit einem so kleinen Format, wenig Material, Farben und Anleitung an?

„Elegance of limits“ nennt man das beim Zentangeln – die Eleganz der Grenzen.

Einmal, erzählt Anna-Maria Meinhardt, sei ein junger Mann in ihrem Workshop bei der Theorie sehr aufmerksam und interessiert gewesen – und sehr verunsichert, als es dann ans Zeichnen ging. „Er wollte es möglichst präzise, genau und richtig machen und hatte keine Orientierung.“

Kunst, Entspannung oder Meditation

Doch beim Zentangeln auf diese meist unbewussten Muster zu achten sei nur eine mögliche Herangehensweise. Man könne das Ziel immer wieder neu festlegen: etwas Schönes zu erschaffen, sich eine Pause vom Alltag zu gönnen, zu entspannen und im Moment zu versinken – oder eben Neues über sich selbst zu erfahren.

Hast du die Zentangle-Methode schonmal ausprobiert und dabei vielleicht auch die ein oder andere gute Erkenntnis über dich gewonnen?

Alles Liebe,

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