Die “persönliche Brille”: Wie unsere Überzeugungen unsere Realität erschaffen

Konflikte entstehen häufig, weil sich unsere Bewertung eines Erlebnisses oder Sachverhalts von der Bewertung unserer Mitmenschen unterscheidet. Zum Beispiel: Meine Freundin findet ihren neuen Nachbarn unsympathisch ich mag ihn. Oder: Ich finde, dass ich von meiner Chefin unfreundlich behandelt wurde sie ist da anderer Meinung. Oder: Der eine findet Naturschutz wichtig die andere, dass eine neue Straße gebaut und dafür ein Wald gerodet wird.

Wir nehmen die äußere Welt so wahr, dass sie zu unserer inneren Welt passt

Wer hat nun recht? Vermutlich beide, in ihrer jeweiligen Welt und mit ihrer individuellen Sicht darauf. Denn wir tragen unterschiedliche “Brillen”, mit denen wir durchs Leben gehen. Die Farbe der Brillengläser hängt ab von unseren Überzeugungen und Wertvorstellungen, von unserer Herkunft und Erziehung, von unserer Kultur – und auch von unserer aktuellen Tagesform und unserem Stresslevel, das sich körperlich und seelisch ausdrückt.

So kann ein und derselbe Tag, je nachdem, in welcher Verfassung ich gerade bin und worauf ich meinen Fokus lege, ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Doch sieh selbst:

Wahrnehmungsbrille 1: Das Negative im Fokus

Noch bevor der Wecker schrillt, weckt mich das Gezwischter der Vögel, die um diese Zeit einfach viel zu laut sind – und dann scheint mir auch noch die Sonne direkt ins Gesicht und es ist viel zu warm im Bett. Oh nein, denke ich, ist die Nacht schon vorbei? Ich habe keine Lust aufzustehen, aber ich muss ja zur Arbeit – also quäle ich mich aus dem Bett. Mein Freund hat überall Sachen liegen gelassen, aber ich habe keine Zeit, sie wegzuräumen, denn ich bin schon spät dran.

Auf dem Weg zur Arbeit nimmt mir jemand die Vorfahrt. „So ein Idiot“ denke ich und ärgere mich über den Fahrer, bis ich an der Arbeit ankomme. Dann muss ich zu einem Termin hetzen und habe zwischendurch kaum Zeit, meinen aktuellen Artikel fertigzustellen.

Mittags treffe ich eine Freundin und wir laufen eine Runde um den See nahe meiner Arbeitsstätte. Eine Frau, die uns entgegenkommt, grinst uns komisch an. Dabei kenne ich sie gar nicht. Habe ich was im Gesicht?, frage ich mich – oder warum hat sie gelacht, als sie mich gesehen hat? Blöde Kuh, soll sie mir doch sagen, was für ein Problem sie hat…

Als ich endlich fertig bin, fällt mir ein, dass der Kühlschrank zu Hause leer ist. Obwohl ich kaputt bin und überhaupt keine Lust habe, mache ich also noch einen kurzen Abstecher zum Supermarkt. Doch von wegen kurz: Die Schlange an der Kasse ist riesig. Warum müssen die alle jetzt einkaufen?, denke ich – und warte genervt, bis ich endlich an der Reihe bin.

Später ruft dann auch noch meine Mutter an und fragt mich nach meinem Tag aus. Dabei will ich doch einfach nur meine Ruhe haben. Warum merkt sie das nicht? Ich bin wortkarg und genervt und höre nur mit halbem Ohr zu, lasse das Telefonat aber über mich ergehen. Dann putze ich meine Zähne und lege mich ins Bett. Zum Glück ist der Tag vorbei, denke ich – und bald wieder Wochenende.

Wahrnehmungsbrille 2: Der neutrale Blick auf die Welt

Fünf Minuten, nachdem der Wecker geklingelt hat, stehe ich auf. Als ich das Fenster öffne, höre ich die Vögel zwitschern und sehe, dass die Sonne scheint. Mein Freund hat Frühstück gemacht und ich esse eine Kleinigkeit, bevor ich das Haus verlasse, mich in mein Auto setze und zur Arbeit fahre. Dort schreibe ich einen Artikel fertig und habe einen Termin. Während meiner Mittagspause laufe ich mit einer Freundin eine Runde um den städtischen See, uns begegnen viele Menschen, die das sonnige Wetter ebenfalls für einen Spaziergang nutzen.

Nach der Arbeit kaufe ich noch kurz ein paar Kleinigkeiten ein, abends gibt es selbstgemachte Pizza. Ich telefoniere noch mit meiner Mutter, lese ein paar Seiten und gehe dann gegen 22 Uhr schlafen.

Wahrnehmungsbrille 3: Das Positive im Fokus

Mein Wecker klingelt und ich werde langsam wach. Ich höre Vögelgezwitscher und spüre die Morgensonne auf meiner Haut – wie schön, denke ich, ein richtiger Sommertag beginnt. Bevor ich aufstehe, kuschle ich mich noch kurz zusammen und freue mich darüber, wie warm und gemütlich ich es im Bett habe. Dann stehe ich auf, strecke mich, dusche und finde ein von meinem Freund für mich vorbereitetes Frühstück. Ich freue mich sehr darüber und esse eine Kleinigkeit. Dann putze ich meine Zähne, lächle mir im Spiegel zu und verlasse das Haus.

Auf dem Weg zur Arbeit habe ich erfreulicherweise grüne Welle. Ich schaffe es noch vorm Mittag, einen Artikel fertigzuschreiben und habe noch einen spannenden Termin. In der Mittagspause entspanne ich mit einer Freundin am städtischen See ganz in der Nähe meines Arbeitsplatzes – dort ist es wunderbar ruhig und idyllisch. Eine fremde Frau lächelt mich an, ich lächle zurück und freue mich über diese unverhoffte Geste.

Nach der Arbeit fahre ich noch einkaufen, denn es soll selbst gemachte Pizza geben. Während ich an der Kasse warte, rekapituliere ich in Gedanken noch einmal den bisherigen Tag – und freue mich auf die Pizza. Später meldet sich noch meine Mutter und erkundigt sich nach meinem Tag. Wir plaudern ein wenig, dann lese ich noch etwas und schließe zufrieden die Augen – es war ein schöner Tag.

Wir entscheiden, ob wir das Positive oder das Negative sehen

Spannend, oder? Je nachdem, wie unsere innere Welt aussieht – ob wir gerade einen schlechten Tag haben, ob wir bereit sind, das Positive wahrzunehmen oder auch gerne mal in die Opferrolle begeben – nehmen wir ein und denselben Tag auf ganz unterschiedliche Weise wahrnehmen. Wir haben einfach einen unterschiedlichen Fokus, wie einen persönlichen Scheinwerfer, der uns nur die Dinge sehen lässt, die zu uns und unserem Gemüt passen. Der Rest verschwindet im Dunklen.

Aber keine Bange: Wir haben Einfluss auf unseren Scheinwerfer. Wir können uns dafür entscheiden, wohin er leuchtet, ob er die Positiven oder die negativen Dinge für uns sichtbar werden lässt. Wie das geht? Zum Beispiel, indem wir ganz bewusst Dankbarkeit kultivieren und jeden Tag drei Dinge aufschreiben, für die unser Leben schöner machen. Oder indem wir uns die Ressourcen in unserem Leben – unsere innere Schatzkiste – vor Augen führen und uns an ihr erfreuen.

Also: Welche Wahrnehmungsbrille trägst du? Welche würdest du gerne tragen? 

Alles Liebe,

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