“Ich sehe was, was du nicht siehst”: Realität ist das, was wir dafür halten

Lässt man vier Leute eine Situation beobachten, kommen am Ende vier verschiedene Geschichten heraus. Das ist gut zu wissen – denn es zeigt unter anderem, dass wir keinerlei Einfluss darauf haben, was andere über uns denken.

Vor Kurzem habe ich ein Seminar zum Thema „Reportage und Portrait“ besucht. Szenen bildhaft zu beschreiben macht einen Großteil dieser journalistischen Textformen aus. Um das zu üben, bekamen wir eine simple Aufgabe: Wir sollten in ein Café gehen und unsere Eindrücke aufschreiben.

Das Spannende war: Die Ergebnisse unterschieden sich stark voneinander – so, als hätten wir die Zeit an völlig verschiedenen Orten verbracht.

Vier Menschen – vier Geschichten

In Text 1 war von dem grimmig dreinschauenden Mann am Nachbartisch die Rede, der kein einziges Wort mit seiner Begleiterin wechselte. Text 2 wies auf laute Ventilator-Geräusche im Raum hin – die ich zum Beispiel überhaupt nicht bemerkt hatte. Text 3 handelte vom Duft nach frisch Gebackenem, von Geschirr-Geklapper und der Inneneinrichtung des Cafés, Text 4 von der heimeligen Wärme im Raum im Gegensatz zur klirrenden Kälte draußen.

Wir alle waren zur selben Zeit am selben Ort. Und natürlich: Das Setting “Café” kam in allen Texten vor. Und doch sind aus vier Beobachtungen vier ganz eigene Geschichten entstanden.

Das zeigt: Jeder hat eine andere Perspektive auf die Welt. Und Realität ist das, was wir dafür halten.

In den Köpfen von zehn Personen existieren also zehn unterschiedliche Welten. Und je nachdem, wie wir aufgewachsen sind, mit welchen Menschen wir unsere Zeit verbringen und welche Interessen wir haben, nehmen wir Situationen wahr.

Unser Gehirn interpretiert fortlaufend

Denn das, was wir als Realität wahrnehmen, ist nur eine Interpretation unseres Gehirns.

Zmu Bspeiiel, wnen wri dseein Txet lseen. Obwohl er Quatsch ist, geht das – denn unser Gehirn kann Sinn aus dem Buchstabengewirr konstruieren. Warum? Weil wir es so gelernt haben: Zu lesen und die deutsche Sprache zu verstehen.

Auf diese Weise interpretieren wir alles, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen – und zwar so, wie es unser Gehirn gelernt hat.

Wichtig: Sich einfühlen

Wie können wir diese Erkenntnis für uns nutzen? Sie kann uns zum Beispiel dabei helfen, Empathie für andere Menschen zu entwickeln. Wie oft passiert es, dass wir mit schlecht gelaunten Menschen zu tun haben – in der Bahn, an der Kasse oder im Büro – und dass wir sie dafür direkt verurteilen oder in die “unangenehmer Zeitgenosse”-Schublade packen?

Dann können wir entweder zurück-schlecht-gelaunt-sein. Oder uns daran erinnern, dass jeder von uns in seiner eigenen Welt lebt. Meist wissen wir ja gar nicht, was bei dem Menschen sonst noch so los ist. Vielleicht ist das Kind krank. Oder das Auto kaputt. Oder oder.

Deshalb: Bleiben wir lieber freundlich und erinnern uns daran, dass unfreundliches Verhalten in den wenigsten Fällen direkt auf uns gemünzt ist. Es entspringt vielmehr der Lebensrealität unseres Gegenübers. Das ist nicht immer leicht. Aber es spart Energie – und ist, wenn man es schafft, ungemein befreiend. ∞

Alles Liebe,

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