Hier kannst du die passende Podcast-Folge anhören:
#001 Podcast: Wie Sprache deine Wahrnehmung prägt – und wie du das für dich nutzen kannst
Ist doch egal, wie du mit dir und anderen redest? Nee! Wie Sprache sich auf deine Lebensqualität auswirkt, was das mit Schotterpisten im Kopf zu tun hat und wie du in 3 Schritten den Grundstein für eine liebevolle & achtsame Sprache in deinem Leben legst, erfährst du hier.
Sprache beeinflusst unsere Sicht auf die Welt
Wir alle haben unsere eigene Realität und leben in unserer eigenen Welt. Du hast es sicher schon einmal gehört oder gelesen: Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist – wir sehen die Welt, wie wir sind. Und einen großen Einfluss auf unsere persönliche Sicht auf die Welt hat unsere Sprache. Dazu drei Beispiele:
Wie Sprache unsere visuelle Wahrnehmung beeinflusst
Beispiel 1: Kann man etwas sehen, wenn man keine Worte dafür hat? Mit dieser Frage beschäftigte sich der britische Psychologe Jules Davidoff. Du kannst sein Experiment gleich selbst einmal ausprobieren: Kannst du den blauen Kreis im folgenden Bild erkennen?
Blöde Frage, denkst du jetzt vielleicht – das ist doch easy. Aber nicht für jeden. Es gibt Menschen, die diesen blauen Kreis nicht von den anderen unterscheiden können – zum Beispiel das Volk der Himba im afrikanischen Nigeria. Nicht etwa, weil diese Menschen farbenblind sind – sie haben in ihrer Sprache schlichtweg kein Wort für die Farbe Blau.
Und nun zu Teil zwei von Davidoffs Farbexperiment: Kannst du im zweiten Bild den herausstechenden grünen Kreis erkennen?
Das ist nicht mehr so leicht, oder? Für die Menschen in Davidoffs Experiment aber schon: Ihnen fiel es sehr leicht, das herausstechende grüne Quadrat zu erkennen. Der Grund: Das Volk der Himba hat viele Worte für verschiedene Schattierungen der Farbe Grün.
Das zeigt: die Dinge, die wir mit Worten umschreiben können, nehmen wir wahr – alle anderen nicht.
Wie Sprache unser Selbstwertgefühl beeinflusst
Beispiel 2: Wie mit dir gesprochen wird, bestimmt deine Wahrnehmung und deine Identität. Stelle dir dazu einmal zwei Kinder im Alter von etwa 7 Jahren vor. Kind 1 hat Eltern, die täglich Sätze zu ihm sagen wie:
- „Du bist wunderbar, so wie du bist.“
- „Wir lieben dich.“
- „Du bist uns wichtig.“
Kind 2 bekommt täglich Sätze zu hören wie:
- „Stell dich nicht so an.“
- „Du schaffst das sowieso nicht.“
- „Sei ruhig und nerv uns nicht.“
Und dann stell dir diese beiden Kinder im Alter von etwa 20 Jahren vor. Wie werden sie sich entwickelt haben? Wie denken sie über die Welt, ihre Mitmenschen und sich selbst? Vermutlich sehr unterschiedlich. Die Worte, die sie während ihrer Kindheit gehört haben, haben einen entscheidenden Einfluss auf sie gehabt – in positiver oder negativer Hinsicht.
Wie Sprache unsere Sicht auf andere Menschen formt
Beispiel 3: Mittlerweile lese ich kaum noch Facebook-Kommentarspalten, denn ich habe gemerkt, dass der oft raue Ton, der dort herrscht, sich auf meine Sicht auf die Welt auswirkt: Ich nehme sie düsterer und bedrohlicher wahr, wenn ich zu viel Zeit am „digitalen Stammtisch“ bei Facebook verbringe.
Auch beim Thema Migration spielt die Wahl der Sprache eine entscheidende Rolle: Sprechen wir über Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen? Oder von “Flüchtlingswellen”, die eine bedrohliche Naturgewalt implizieren? Und wie kann es sein, dass das Wort “Gutmensch” dazu genutzt wird, um Menschen, die sich um das Wohl ihrer Mitmenschen sorgen, auf zynische Weise zu verunglimpfen?
Es sind nur kleine sprachliche Nuancen, die aber – vor allem, wenn sie oft genutzt werden – eine entscheidende Wirkung auf unsere Sicht auf die Welt und die Beziehung zu unseren Mitmenschen haben.
Die Wirkung von Sprache in 3 Schritten bewusst nutzen
Du siehst: Sprache beeinflusst uns und unsere Wahrnehmung – und damit unsere Realität. Und das ist gut – denn du kannst dir das zunutze machen. Indem du dich für eine Sprache entscheidest, die dich voranbringt, (be-)stärkt und dich zuversichtlich und glücklich macht. Dazu kannst du in 3 Schritten vorgehen:
Schritt 1: Mach dir deine (innere) Sprache bewusst.
Wie denkst du über dich? Wie denkst du über andere Menschen? Bewusstsein ist der erste Schritt in Richtung Veränderung – denn nur, wenn dir etwas bewusst ist, kannst du entscheiden, ob du es so beibehalten oder es ändern willst.
Schritt 2: Jetzt kannst du bewusst entscheiden, wohin du deine Aufmerksamkeit lenkst.
Richtest du deinen Fokus auf das Positive – oder auf das Negative? Auf Erfolg oder auf Opferdasein?
Also: Wähle deine Gedanken sorgsam aus. Frage dich dazu: Will ich diese Worte und Gedanken in meinem Kopf haben? Und will ich so denken? Macht dieser Gedanke mich glücklich? Hilft mir dieser Gedanke, meine Ziele zu erreichen und ein erfülltes Leben zu führen? Tut mir dieser Gedanke gut?
Wenn ja: Super! Wenn nicht: ändere deine(n) Gedanken – oder widme dich einem anderen.
Schritt 3: Was willst du stattdessen denken?
Du fragst dich vielleicht, wie das gehen soll, einen Gedanken so zu ändern, dass er dir dient anstatt dich zu bremsen.
Ganz einfach: Formuliere das Gegenteil aus deinem Gedanken – und mach eine Frage daraus. Wenn du zum Beispiel den Gedanken hast, dass dir die Menschen nicht gern zuhören, sieht das so aus:
- Gedanke: Die Menschen hören mir nicht gern zu.
- Gegenteil: Die Menschen hören mir gern zu.
- Frage: Warum hören mir die Menschen so gerne zu?
Das Coole ist: Dein Gehirn ist eine Antwortmaschine. Es wird dir automatisch Antworten auf deine positiv formulierte Frage liefern – und dich damit zusätzlich bestärken. Die Antworten, die dir auf deine Frage einfallen, kannst du dann auch notieren, um künftig gleich gute Gegenargumente für dein „Kopfkino“ zu haben.
Und dein Gehirn hat noch eine tolle Funktion: Es kann positives Denken lernen! Viele Menschen gehen ja ins Fitnessstudio, um ihren Körper fit zu halten. Aber mit unserem Geist geht das auch.
Das Zauberwort lautet Neuronale Plastizität. Unser Kopf ist wie ein Straßennetzwerk: Er besteht aus Nervenbahnen, die unsere Nervenzellen nutzen, um Informationen – zum Beispiel Gedanken – zu übertragen.
Unsere Nervenbahnen sind unterschiedlich beschaffen: Je nachdem, wie oft sie genutzt werden, gleichen sie einer Datenautobahn – oder einem Trampelpfad. Und unsere Nervenzellen nutzen eine Datenautobahn natürlich lieber, da sie besser ausgebaut, breiter und schneller ist.
Achtsame Sprache: Baue die positive Nervenbahn aus
Das heißt konkret: Wenn wir uns nur auf das Negative konzentrieren – auf alles, was schief gehen könnte –, dann wird die Nervenbahn „schlecht“ breiter, ebener und schneller und somit bevorzugt genutzt – wir sehen auf Dauer nur noch das Negative.
Wenn wir hingegen optimistisch denken, dann wird die positive Nervenbahn dicker – und damit auch lieber von den Nervenzellen zur Informationsübertragung genutzt. Die Folge: Unsere Weltsicht wird positiver.
Du entscheidest also, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Du entscheidest, welche Wahrnehmungsbrille du trägst. Du entscheidest, welche geistige Nahrung du zu dir nimmst.
So können wir auch entscheiden, wie wir mit uns selbst in Zukunft reden wollen – und wie nicht. Welche Worte wir uns zu Herzen nehmen – und welche nicht. Und somit letztlich, ob wir glücklich und erfüllt leben wollen – oder eben nicht.
Wie entscheidest du dich?