Wie wir bei Trigger-Themen in Verbindung bleiben – mit anderen und uns selbst

In den letzten Tagen hat mich etwas tief bewegt: Ein Attentat auf einen politischen Aktivisten in den USA – und die Reaktionen darauf. Dabei geht es mir nicht um politische Lager oder darum, wer „recht“ hat. Es geht um etwas Grundsätzlicheres: Wie begegnen wir Meinungen, die uns unbequem oder falsch erscheinen? Und was macht das mit uns – mit unserem Nervensystem, unserer inneren Sicherheit und unserer Fähigkeit, in Verbindung zu bleiben?

Erstmal: Worum geht es eigentlich? Charlie Kirk, ein politischer Aktivist, wurde während einer seiner öffentlichen Veranstaltungen erschossen – offenbar wegen der Positionen, die er vertrat.

Unabhängig davon, was man über seine Inhalte denkt – sein Tod berührt mich. Und er wirft eine zentrale Frage auf:

Wie gehen wir mit Menschen um, die anders denken?

Der Tod als Triumph? Eine gefährliche Entwicklung

Ja, die Überzeugungen des Aktivisten haben polarisiert – und man kann sie teilen oder ablehnen. Doch eines verdient unabhängig von der eigenen Meinung Respekt: Er suchte den Dialog – selbst dort, wo ihm massiver Widerspruch entgegenschlug.

Das finde ich in einer Zeit, in der viele nur noch in ihren eigenen Meinungsblasen kommunizieren, bemerkenswert. Denn es ist unbequem, trotz Gegenwind im Gespräch zu bleiben und sich der Konfrontation zu stellen.

Was mich darum besonders erschüttert hat, waren einige öffentliche Reaktionen, in denen nicht nur Kritik, sondern offene Häme sichtbar wurde. Das wirft für mich eine wichtige Frage auf:

Was passiert mit unserem Mitgefühl, wenn wir jemanden so sehr ablehnen, dass uns sein Tod gleichgültig erscheint – oder sogar willkommen?

Wie schnelle Bewertungen uns in Stress versetzen (meine Erfahrung)

Als ich nach dem Attentat die ersten Schlagzeilen gelesen habe, entstand ein klares Bild in meinem Kopf: Der Mann (den ich zuvor nicht kannte) sei ein Hetzer, ein Extremist. Viele Berichte und Kommentare beschrieben ihn mit Begriffen wie „ultrarechts“, „Hassprediger“, „extrem“ und „radikal“.

Erst später habe ich mir selbst einige seiner Auftritte angesehen – ganze Reden, Interviews und Debatten. Keine zusammengeschnittenen Clips, sondern längere Formate, die Raum lassen, zuzuhören und sich ein eigenes Bild zu machen.

Und plötzlich wirkte auf mich alles anders: Da sprach ein Mensch, der argumentiert, Fragen stellt, offen debattiert. Ja, er provozierte und vertrat streitbare Positionen – aber ich konnte kein hasserfülltes Monster in ihm erkennen.

Das hat mich überrascht – und beunruhigt. Gerade in aufgeheizten Zeiten übernehmen wir oft unbewusst Bewertungen, die uns durch mediale Sprache präsentiert werden. Doch Worte wie ‚extrem‘ oder ‚radikal‘ wirken auf unser Nervensystem. Mir ist aufgefallen, wie stark diese Begriffe meine erste Wahrnehmung des Aktivisten beeinflusst haben – bis ich mir ein eigenes Bild gemacht habe.

Solche Begriffe sind nicht neutral – oft ersetzen sie ein ausgewogenes Bild durch moralische Etiketten. Statt Dialog entsteht Spannung – durch die Dynamik von Angriff, Verteidigung und Schuldzuweisung. So wird echtes Zuhören und unvoreingenommenes Wahrnehmen unmöglich.

Beobachten statt Bewerten – und damit Raum zum Atmen schaffen

Umso wichtiger finde ich es, dass wir in solchen Momenten innehalten, durchatmen und bewusst beobachten, bevor wir bewerten (ein zentraler Grundsatz der Gewaltfreien Kommunikation – und ein grundlegendes Prinzip im guten Journalismus).

Was auf den ersten Blick einfach klingt, ist in Wahrheit eine tiefgreifende Praxis – und ein echter Schlüssel für mehr inneren und äußeren Frieden.

Denn jedes Urteil, das wir fällen – ob über andere oder über uns selbst – aktiviert etwas in uns. Unser Nervensystem reagiert dann möglicherweise mit Stress, mit Abwehr, manchmal mit Angst oder Rückzug. Wir stempeln ab oder machen innerlich dicht.

Bildlich gesprochen könnte man sagen: Bewertungen spannen unser Inneres wie einen Bogen – Beobachtungen erlauben uns, den Pfeil erstmal ruhen zu lassen. Oder noch etwas prägnanter:

Bewertung erzeugt Spannung – Beobachtung schafft Raum.

Nervensystemfreundliche Kommunikation im Alltag – ein Beispiel

Lass uns das mal ganz konkret anschauen.

Wenn ich sage: „Ein Aktivist verbreitet gefährliche Ideologien“,
dann signalisiere ich Bedrohung – und blockiere echtes Zuhören.

Wenn ich dagegen beobachte: „Ein Aktivist sprach auf dem Campus XY über Migration und Gender. In seiner Rede sagte er: ‚…‘“,
dann beschreibe ich, was passiert ist – ohne sofort zu werten.

Ich kann auch hinzufügen, wie das auf mich wirkt:
„Ich stimme dem weitgehend zu – bis auf folgenden Punkt: … .“ Oder:
„Mich hat das irritiert, weil mir xy wichtig ist.“

So entsteht mehr Raum für Verbindung und Verständnis – auch dann, wenn man anderer Meinung ist.

Wichtig ist mir dabei: Das heißt nicht, dass wir keine klare Haltung mehr einnehmen dürfen. Im Gegenteil – es kann gerade in unserer aktuellen Zeit notwendig sein, Grenzen zu benennen, Position zu beziehen oder deutlich Nein zu sagen.

Doch wenn wir das tun, ohne in unserem inneren Alarmzustand festzuhängen, dann entsteht Klarheit ohne Härte – und Haltung ohne Herabwürdigung.

Zuhören bedeutet nicht zustimmen. Und Mitgefühl ist nicht gleich Nachsicht.
Es geht darum, das Menschliche im Gegenüber weiter zu sehen – selbst dann, wenn wir seine Überzeugungen entschieden ablehnen.

Verbindung trotz schwierigen Themen – Wege zu einem neuen Miteinander

Ich wünsche mir neue Räume des Miteinanders. Räume, in denen auch Unangenehmes gesagt werden darf – und in denen zuhören mehr zählt als zuschreiben.

Das Schöne ist: Ich weiß, das ist möglich. Ich erlebe es immer wieder:

Die wohlwollende Verbindung kann bleiben – trotz Meinungsverschiedenheit, innerem Widerstand und schwierigen Gefühlen.

▸ Indem wir den Körper und das Nervensystem mit einbeziehen. Indem wir uns erst in uns selbst verankern, bevor wir handeln, sprechen, urteilen.

▸ Indem wir unsere persönlichen Ressourcen kennen und nutzen, die uns im Wirbel der Gefühle und Gedanken inneren Halt, Ruhe und Geborgenheit schenken.

▸ Indem wir konstruktive Wege finden, unsere Gefühle auszudrücken – nicht nur mit Worten, sondern auf stimmige, körper- und nervensystemfreundliche Art.

▸ Indem wir uns Zeit lassen und Pausen gönnen – im Dialog und beim Aufnehmen von Informationen. Nicht immer muss alles sofort geklärt werden.

▸ Indem wir uns Nicht-Wissen zugestehen – manchmal ist es befreiend zu sagen: Ich weiß nicht genug über dieses Thema, um wirklich etwas dazu beitragen zu können.

Ja, das ist erstmal ungewohnt und nicht immer gelingt es – aber ich erlebe, dass dieses heilsame neue Miteinander möglich ist, in dem Meinungsverschiedenheit nicht automatisch zu großem Krach, Funkstille oder gar Schlussstrich führt.

Indem man sich „durcharbeitet“, miteinander ringt – und am Ende neuen gemeinsamen Boden findet, der vorher nicht da war. Nicht weil eine Meinung „gewinnt“. Sondern weil wir erleben können, dass das wohlwollende Miteinander bleibt – trotz unterschiedlicher Sichtweisen. Und man sich als Menschen weiter sieht und schätzt. 

Zurück zur inneren Mitte – trotz Trigger-Themen

Ich wünsche mir, dass wir wieder lernen, innezuhalten – nicht nur im Gespräch mit anderen, sondern auch im Dialog mit uns selbst.

Dass wir uns Raum geben um zu spüren, wann wir in Stress geraten – und lernen, erst mal zu durchzuatmen, bevor wir reagieren. Dass wir sehen lernen, was hinter dem Verhalten eines Menschen liegt – vielleicht ein Schutzmechanismus. Und was hinter unserem eigenen.

Nicht jedes Argument braucht eine sofortige Antwort; nicht jede Provokation verlangt nach Reaktion.

Manchmal braucht es Mut zur Stille und zum Genauer-Hinschauen oder eine Atempause – um wieder in der eigenen Mitte zu landen und von dort aus ruhiger und besonnener zu handeln.