Empathie klingt gut – warm, zugewandt und menschlich. Doch was bedeutet sie wirklich in der Kommunikation – und wie oft verwechseln wir sie mit etwas anderem? In diesem Artikel erforschen wir, was echte Empathie ausmacht, wie wir sie erkennen und wie sie die Qualität unserer Gespräche – mit anderen und mit uns selbst – grundlegend verändert.
Hier kannst du die Podcast-Folge anhören (erschienen am 03.11.2020):
Links zur Folge:
- Die von mir erwähnte Folge: #025 Podcast: Wie du Balance und Bewusstsein in deine Gespräche bringst
- Im Basiskurs „Klar & achtsam kommunizieren“ erfährst du alles über die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation.
Was bedeutet Empathie in der Kommunikation – und warum ist sie so wichtig?
Stellen wir uns Empathie wie ein behagliches Lagerfeuer vor: Sie wärmt, sie schenkt Licht, sie bringt uns zusammen. In Gesprächen, in Beziehungen – und auch in der Art, wie wir mit uns selbst sprechen.
Und obwohl sie ein zentrales Element achtsamer, aufrichtiger Kommunikation ist, bekommt Empathie erstaunlich selten eine eigene Bühne.
Das ändern wir jetzt.
Was ist Empathie überhaupt?
Wikipedia beschreibt Empathie als „die Fähigkeit oder Bereitschaft, die Empfindungen, Emotionen, Gedanken und Motive einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden“. Es geht also darum, sich einzufühlen – in das Erleben eines anderen Menschen. Nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen.
Und es geht um eine Form von Reaktion, die dieser Einfühlung angemessen ist. Doch was bedeutet „angemessen“? Genau hier wird es spannend – und oft auch schwierig.
Fünf Reaktionen, die nicht empathisch sind
Ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Angenommen, jemand schildert uns seine belastende Arbeitssituation – etwa mit einer Kollegin, mit der es ständig zu Konflikten kommt. Die Person fühlt sich überfordert, genervt, hilflos.
Wie reagieren wir?
Hier sind fünf typische Antworten, die nicht empathisch sind – auch wenn sie oft so gemeint sind:
1. „Das kenne ich auch!“ – Und schon reden wir über uns.
„Meine Kollegin ist auch furchtbar. Morgens redet sie ohne Punkt und Komma…“
Klingt erstmal nach Mitgefühl. Tatsächlich aber verlagert sich das Gespräch blitzschnell auf uns. Wir sind nicht mehr beim Gegenüber – sondern bei unserer eigenen Geschichte.
2. „Kopf hoch, wird schon wieder!“ – Flucht aus dem Unangenehmen.
„Du schaffst das, ihr kriegt euch schon wieder ein.“
Auch gut gemeint – aber leider ein emotionaler Rückzug. Diese Sätze zeigen: Wir wollen uns nicht weiter mit dem Schmerz beschäftigen. Wir stellen Optimismus vor Verbindung.
3. „Ich fand sie eigentlich ganz nett.“ – Gaslighting light.
„Ich hab deine Kollegin anders erlebt.“
Damit stellen wir die Wahrnehmung des anderen in Frage. Ob beabsichtigt oder nicht: Wir entwerten, was unser Gegenüber fühlt – und setzen unsere Sicht als „objektiver“ voraus.
4. „Hab ich dir doch gleich gesagt!“ – Ich hab’s besser gewusst.
„Ich hab von Anfang an gemerkt, dass mit der was nicht stimmt.“
Hier geht es nicht um Einfühlung, sondern um Recht haben. Und das tut weh – besonders dann, wenn der andere gerade verletzlich ist.
5. „Dann geh halt zur Chefin.“ – Schnell ein Pflaster drauf.
„Sag ihr die Meinung. Oder geh zum Chef.“
Lösungsorientierung ist nicht falsch. Aber ungefragt? Oft verfrüht. Denn vielleicht kennst du. es auch: Manchmal will man erstmal einfach nur gehört werden. Ohne Ratschläge. Ohne Handlungsempfehlung.
Was echte Empathie ausmacht
Empathie ist mehr als Reaktion. Sie ist ein Zustand der Präsenz. Ein echtes Dasein. Ohne Ablenkung. Ohne Bewertung. Ohne vorschnelle Schlüsse.
Wir müssen dafür nicht die perfekten Worte finden – manchmal reicht es, einfach da zu sein. Still zuzuhören. Raum zu halten. Ein inneres „Ich sehe dich“.
Empathie heißt nicht, zu erklären oder zu analysieren – sondern zu spüren: Was braucht der andere gerade? Und auch: Was kann ich geben?
Empathie beginnt mit einer Frage
Nämlich:
„Was brauchst du gerade von mir – ein Ohr oder eine Idee?“
Diese simple Frage kann eine Beziehung auf eine völlig neue Ebene heben. Sie zeigt: Wir sind da. Wir sind präsent. Und wir wollen nicht vorschnell helfen – sondern wirklich in Kontakt kommen.
Warum wir manchmal keine Empathie geben können
Manchmal ist in uns selbst einfach kein Raum. Vielleicht sind wir müde, gestresst, getriggert oder abgelenkt. Vielleicht aktiviert das Thema etwas in uns, das wir selbst noch nicht verarbeitet haben.
Dann ist es nicht nur in Ordnung, sondern verantwortungsvoll, das zu kommunizieren:
„Ich höre dir zu, aber ich merke, dass ich gerade nicht ganz da bin. Ich will dir trotzdem den Raum geben, den du brauchst.“
Empathie braucht Selbstwahrnehmung. Und auch Selbstempathie.
Empathie für uns selbst
Hier liegt der eigentliche Schlüssel: Mitgefühl mit uns selbst.
Denn wie wollen wir anderen wirklich zuhören, wenn wir nicht gelernt haben, uns selbst zuzuhören? Wenn wir nicht wissen, was in uns gerade präsent ist? Was wir brauchen? Wo unsere Grenzen sind?
Wir dürfen lernen, uns selbst die Fragen zu stellen, die wir anderen so oft stellen wollen:
- Was löst das gerade in mir aus?
- Was fühle ich?
- Was brauche ich?
- Was macht es mit mir – körperlich, emotional, gedanklich?
Und dann? Nichts weiter tun. Nur wahrnehmen. Da sein.
Die Verbindung nach innen – und nach außen
Wenn wir diese Haltung in uns kultivieren, wird es leichter, auch im Außen empathisch zu sein. Wir verstricken uns weniger. Wir urteilen weniger. Und wir hören klarer.
Das verbessert nicht nur unsere Kommunikation. Sondern auch unsere Beziehungen. Und: unsere Lebensqualität.
Fazit: Kommunikation verbessern mit echter Empathie
Echte Empathie braucht keine großen Gesten. Sie braucht Präsenz, Interesse und das Vertrauen in den Moment. Wir müssen nichts tun – außer da sein.
Wenn wir uns erlauben, innezuhalten, zuzuhören, zu fühlen – bei anderen und bei uns selbst – entsteht Verbindung. Tiefe, aufrichtige, echte Verbindung.
🌱 Empathie üben im Alltag: Eine einfache Praxis
Wenn dich in den nächsten Tagen etwas aus dem Gleichgewicht bringt – ein Streit, ein Missverständnis, eine schwierige Begegnung –, dann könntest du dir einen Moment Zeit nehmen und fragen:
- Was ist gerade in mir lebendig?
- Was brauche ich jetzt wirklich?
- Und was braucht mein Gegenüber?
Vielleicht verändert sich dadurch mehr, als du denkst.